Eine Gruppe von Menschen sitzt gemeinsam auf einer Steintreppe.

Heilerziehungspflegerin
aus Überzeugung

27.05.24 Behindertenhilfe

Denise Fuhrmann beobachtet, dass der Beruf der Heilerziehungspflegerin häufig unterschätzt wird. Sie wusste, was auf sie zukommt, denn als Kind begleitete sie ihre Mutter oft zur Arbeit in der Behindertenhilfe. Heute ist die 17-Jährige selbst dort tätig. 

Denise, wie bist du auf die Idee gekommen, eine Ausbildung zur Heilerziehungspflegerin zu machen? 

Ich habe ein Gymnasium besucht und bin nach der zehnten Klasse abgegangen, weil ich unbedingt arbeiten und selbst Geld verdienen wollte. Für mich kamen mehrere Bereiche infrage, aber die Heilerziehungspflege kannte ich schon von meiner Mutter. An meiner Schule habe ich außerdem einen sozialen Zweig besucht und ein zweiwöchiges Schulpraktikum in der Behindertenhilfe gemacht. Meine Aufgabe war es, die Schülerinnen und Schüler bei ihren Hausaufgaben zu unterstützen und den Nachmittag mit ihnen zu gestalten. So habe ich vorher schon einen Einblick in das Arbeitsfeld der Behindertenhilfe bekommen. Und dann kommt noch hinzu, dass das Gymnasium sozusagen mitten im Geschehen von Ursberg liegt und das Zusammenleben mit Menschen mit Behinderung im Ort selbstverständlich ist. Das hängt mit dem Dominikus-Ringeisen-Werk (DRW) zusammen, das hier seinen Stammsitz hat. Hier arbeitet auch meine Mutter und hier mache ich mein Vorpraktikum für die Ausbildung zur Heilerziehungspflegerin. Das DRW ist eine große Einrichtung, in der viele Menschen mit Behinderung bayernweit unterstützt und begleitet werden, die aus den unterschiedlichsten Gründen auf Hilfe angewiesen sind. In Ursberg selbst leben rund 800 Menschen mit Hilfebedarf.

Du hast die Mittlere Reife und befindest dich gerade im zweiten Praktikumsjahr. Das heißt, bevor du die Ausbildung startest, arbeitest du schon richtig, oder? Kannst du kurz schildern, wie das abläuft und was deine Aufgaben sind?

Bei uns gibt es Förderstätten, Werkstätten, Wohngruppen und Tagesstätten. Wir betreuen unter anderem Menschen mit geistiger Behinderung oder Autismus, sowohl Kinder und Jugendliche als auch Erwachsene. Die Aufgaben hängen immer davon ab, in welchem Bereich man tätig ist. Ich bin gerade in der Tagesstätte: Wir holen Kinder und Jugendliche von der Schule ab, essen mit ihnen zusammen Mittag und verbringen die Freizeit mit ihnen. In meiner Gruppe sind gerade acht Kinder und Jugendliche von zehn bis 19 Jahren, die unterschiedliche Einschränkungen haben. Der Jüngste ist ein zehnjähriger autistischer Junge, der eine Eins-zu-eins-Betreuung braucht. Die anderen in der Gruppe sind alle recht selbstständig. Wir kümmern uns um die Essensausgabe, mittags gehen wir spazieren oder in den Garten, oder wir spielen Brettspiele. In der Regel sind wir zu dritt, wobei einer von uns ausschließlich für den autistischen Jungen da ist. Das ist die einzige Aufgabe, die festgelegt ist. Ansonsten entscheiden wir spontan, wer was macht. Das Vorpraktikum gibt mir Gelegenheit, schon mal in den Beruf reinzuschnuppern. Ich bekomme ein Gehalt und finde es eigentlich ganz gut, dass ich erst mal schauen kann, ob der Beruf tatsächlich zu mir passt. Danach folgt die Ausbildung zur Heilerziehungspflegerin. Dann kommt neben der praktischen Tätigkeit noch die Schule dazu. Das sind dann meistens drei Tage Arbeit und zwei Tage Schule. Die Ausbildung dauert drei Jahre. Ich möchte auf jeden Fall die Chance nutzen und während der Ausbildung möglichst viele Aufgabenfelder kennenlernen, wie zum Beispiel den Wohnbereich oder den Jugendbereich, wo häufig ein großer Bedarf an Pflege besteht. 

„Ich finde die Eins-zu-eins-Betreuung sehr spannend, weil man dabei eine besondere Bindung aufbauen kann. Aber mir macht im Grunde alles Spaß.“ Denise Fuhrmann (angehende Heilerziehungspflegerin)

Worauf bist du besonders stolz und was magst du an deiner Arbeit besonders? 

Ich bin echt stolz darauf, dass ich die letzten Jahre so gutes Feedback von meinen Anleitern bekommen habe und dass ich in anderen Gruppen gut ankomme. Ich mag besonders den Kontakt zu den Menschen. Letztes Jahr war ich zum Beispiel in einer Gruppe mit kleineren Kindern, die sich nicht so gut ausdrücken konnten. Ein Mädchen mit Down-Syndrom war immer sehr unruhig und hat geschrien, wenn ihr etwas nicht gepasst hat. Das war zum Teil schon anstrengend. Da haben meine Chefinnen gesagt, dass sie mich für meine Geduld mit dem Mädchen bewundern. Ich habe mich sehr gut mit ihr verstanden. Sie ist mir richtig ans Herz gewachsen. Heute ist sie im Haus, in dem meine Mutter arbeitet. Und wenn ich dort vorbeischaue, freut sie sich und erzählt mir gleich, was sie alles gemacht hat. Das ist einfach richtig schön. Ich habe ohnehin durch die Arbeit gelernt, mich mehr an kleinen Dingen zu erfreuen. Das habe ich mir von den Kindern abgeschaut. Und ich finde die Eins-zu-eins-Betreuung sehr spannend, weil man dabei eine besondere Bindung aufbauen kann. Aber mir macht im Grunde alles Spaß.“

Was waren bislang die größten Herausforderungen für dich und wie bist du damit umgegangen? 

Das Schwierigste ist, dass die Verhaltensweisen von den Klienten – so nennen wir die zu betreuenden Personen – recht schnell ins Negative kippen können. Dann kann es zu herausfordernden Situationen kommen, wie zum Beispiel, dass jemand sehr laut wird. Im Vorpraktikum ist das im ersten Moment schon etwas erschreckend. Aber da ist dann zum Glück immer das Team zur Stelle, das einen unterstützt. Wenn so etwas passiert, hole ich mir also einfach Hilfe. Manchmal gibt es Situationen, da kann ich gar nicht verstehen, warum die Person sich so verhält. Autistische Menschen leben in ihrer eigenen Welt. Im Praktikum habe ich gelernt, das zu akzeptieren. Das macht den Umgang viel einfacher. Ohnehin darf man Reaktionen nicht persönlich nehmen.

Was würdest du anderen raten, die sich überlegen, in die Behindertenhilfe zu gehen? 

Man sollte auf jeden Fall Geduld haben, empathisch sein und Verständnis mitbringen. Ohne Verständnis geht es gar nicht. Und Geduld braucht man, weil die Reaktionen nicht immer so ausfallen, wie man es erwartet hätte, und die Kommunikation nicht immer auf Anhieb funktioniert. Auch wenn man das Verhalten von Menschen mit Behinderung nicht immer nachvollziehen kann, sollte man Verständnis aufbringen; denn sie haben ihre Gründe dafür. Ich würde anderen raten, sich auf die Arbeit einzulassen. Und wenn irgendetwas nicht so läuft wie geplant, sollte man sich nicht so viele Gedanken machen. Mein Motto lautet: „Nach jedem Regen folgt Sonnenschein.“ Das hat sich für mich bewahrheitet. 

Eine junge Frau und ein junger Mann sitzen gemeinsam an einem Tisch und schneiden Obst.

Das Zubereiten von Essen gehört zu den Aufgaben der angehenden Heilerziehungspflegerin. 

Für Einsteiger in diesen Beruf

Ab dem kommenden Ausbildungsjahr können Abiturientinnen und Abiturienten nach einem fünfwöchigen Praktikum (200 Stunden) in die Heilerziehungspflegeausbildung starten. Sozialpraktika können auf die Praktikumszeit angerechnet werden.

Bei mittlerem Schulabschluss bzw. Realschulabschluss ist jetzt nur noch ein Praktikumsjahr Voraussetzung, um in die Ausbildung zu starten. In diesem „Heilerziehungspflegerischen Einführungsjahr“ (HEJ) wird bereits ein Gehalt gezahlt.

Mit dem „Quali-Mittelschulabschluss“ und zwei Jahren Vorpraktikum kann man in die einjährige Heilerziehungspflegehilfeausbildung starten.